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Titel
Zwischen Region und Reich. Das Gebiet der oberen Donau im Imperium Romanum


Herausgeber
Herz, Peter; Schmid, Peter; Stoll, Oliver
Reihe
Region im Umbruch 3
Erschienen
Berlin 2010: Frank & Timme
Anzahl Seiten
185 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Markus Handy, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Karl-Franzens-Universität Graz

Nach den Publikationen „EXPLORATIO DANUBIAE. Ein rekonstruiertes spätantikes Flusskriegsschiff auf den Spuren Kaiser Julian Apostatas“1 und „Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Von der Keltenzeit bis zu den Bajuwaren“2 erschien im Jahre 2010 mit „Zwischen Region und Reich“ der dritte Band der von den Universitäten Graz, Passau und Regensburg interdisziplinär betriebenen Reihe „Region im Umbruch“ (RIU), in dem Geschichte und Archäologie des Gebiets der oberen Donau in der Kaiserzeit und der Spätantike im Mittelpunkt steht.

Der erste Beitrag stammt von Andrew Poulter (S. 11–42) und bietet einen geschichtlichen Überblick des unteren Donaulimes in der Spätantike. Diese Übersicht setzt bereits mit der Grenzentwicklung im 2. und 3. Jahrhundert ein, um dann im folgenden Teil auf die Situation in der Zeit des 4. und 5. Jahrhunderts überzugehen. Kern des Aufsatzes scheinen mir Fragen zu sein, die auch für die Geschichte anderer Limesteile von Belang sind: So kann etwa anhand der Beschäftigung mit dem unteren Donaulimes gezeigt werden, dass die Umstrukturierung der militärischen Formationen bereits unter Diokletian und nicht erst – wie oft angenommen – unter Konstantin vorgenommen worden ist.

Mit dem Status von Pseudogentilizia – gemeint sind lateinische Familiennamen, die vom Vatersnamen abgeleitet worden sind – beschäftigt sich Juliana Visočnik (S. 43–55). Dabei betrachtet sie jene epigraphischen Belege, die aus Celeia, einer bereits früh romanisierten Stadt in Noricum, stammen. Da nur wenige dieser Familiennamen der vorrömischen Bevölkerung von Celeia zuzuordnen sind, könnte der Großteil dieser Namen von ursprünglich aus Norditalien stammenden Siedlern in das südliche Noricum importiert worden sein. Klára Kuzmová (S. 57–75) behandelt in ihrem Beitrag die Geschichte der Südwestslowakei im Lichte der archäologischen Quellen, wobei sie sich insbesondere den Ergebnissen der Grabungstätigkeit der letzten Jahre zuwendet. Bedeutende vorrömische Siedlungsspuren konnten am Burgberg von Devin, an der Mündung der March in die Donau gelegen, nachgewiesen werden. Ergebnisse jüngster Forschungen wiesen nach, dass dieser Ort bereits in augusteischer Zeit römische Architektur aufwies. Bedeutende Funde aus spättiberisch-claudischer Zeit belegen germanische Siedlungsspuren, die wohl allesamt dem im Limesvorland historisch bezeugtem Regnum Vannianum zuzuordnen sind.

Anschließend widmet sich Zsolt Visy (S. 77–98) dem spätantiken Gräberfeld von Sopianae, speziell dem Nordfriedhof, der überwiegend von wohlhabenden christlichen Bürgern belegt wurde. Viele der in etwa 1.500 Gräber stammen aus der Völkerwanderungszeit, vermutlich aus dem 4. Jahrhundert. Als zu Beginn des 5. Jahrhunderts die Provinz Valeria an die Hunnen abgetreten wurde, wanderten große Teile der romanischen Bevölkerung aus, weshalb auch die Zahl der Gräber von Sopianae stark zurückging. Nichtsdestotrotz lässt sich eine Benutzung des Friedhofes noch in der Zeit der Arpaden nachweisen. Die cella septichora, der größte bekannte Grabbau Sopianaes, wurde in den Jahren von 1938 bis 1940 partiell, im Jahre 2006 vollständig freigelegt. Der Beginn der Errichtung des Grabbaues fällt in das beginnende 5. Jahrhundert, seine Fertigstellung blieb jedoch infolge des Abzuges eines Großteiles der Bevölkerung von Sopianae aus.

Leszek Mrozewicz (S. 99–120) befasst sich mit der Entwicklung des Städtewesens in den beiden mösischen Provinzen, wobei das im heutigen Bulgarien gelegene Novae eine besondere Berücksichtigung erfährt. Mit dem Ausgang der Dakerkriege begann unter Traian die Urbanisierungspolitik an der niederen Donau, was in der Verleihung des Koloniestatus an Oescus und Ratiaria zum Ausdruck kommt. Auch in severischer Zeit, für den unteren Donaulimes zweifelsohne eine Blütezeit, erhielten einige Siedlungen Munizipalstatus, wie dies im Falle von Novae eindeutig belegt ist. Dieser anhand von archäologischen Befunden und epigraphischen Quellen gut dokumentierbar prosperierenden Phase folgte im fortlaufenden 3. Jahrhundert eine Krisenzeit, hervorgerufen durch fortwährende Einfälle neuer germanischer Großverbände. In diesem Beitrag hätte sich noch ein Blick auf die auch in den Gebieten der Niederdonau belegten canabae angeboten, jene lagernahen Siedlungen, die in severischer Zeit in Munizipien umgewandelt wurden und somit auch ein bedeutender Faktor der Verstädterung waren.

Patrick Sänger (S. 121–133) konzentriert sich auf die sozialökonomischen Verhältnisse von römischen Veteranen im kaiserzeitlichen Ägypten. Es kann gezeigt werden, dass die Militärangehörigen im römischen Ägypten vielfach aus dörflichem Kontext stammten und dorthin auch nach ihrem Militärdienst zurückkehrten, zumal die Vermögenslage die Übernahme städtischer Ämter nicht zuließ. Die Ergebnisse seiner Untersuchung münden in einen sehr interessanten Vergleich mit der Situation an Rhein- und Donaulimes, wobei natürlich die besonders für die ägyptischen Verhältnisse spezifisch günstige Quellenlage berücksichtigt werden muss.

Wolfgang Janka (S. 161–175) setzt sich im folgenden Beitrag mit der Definition des Namens „Baier“ in sprachwissenschaftlicher Hinsicht auseinander. Er wendet sich gegen verschiedene moderne Thesen zur Deutung dieses Namens. So etwa widerspricht er jener Auffassung, die für die bajuwarische Stammeswerdung eine herausragende Rolle Salzburgs postuliert und dementsprechend den Stammesnamen von *Pag(o)ivaro (Pagus Iuvavensis?) herleitet. Die Struktur der römischen Verteidigungsanlagen im 1. Jahrhundert v.Chr. in den Ostalpen ist Gegenstand der Untersuchung von Jana Horvat (S. 135–159). Insgesamt werden vier Arten von Stützpunkten festgestellt: Dazu gehören erstens die Wallanlagen bedeutender Städte wie Aquileia oder Tergeste und zweitens befestigte Siedlungen an den südlichen Ausläufern der Alpen, die auf einer vorrömischen Vorgängersiedlung errichtet worden waren. Einer dritten Gruppe gehören jene römischen Handelsniederlassungen wie Nauportus, Carnium oder Magdalensberg an, die in der augusteischen Zeit entstanden sind. Im Laufe der römischen Eroberungen in Dalmatien und Pannonien wurden dann – als vierte Gruppe – mit Emona, Siscia und Poetovio bedeutende Truppenstützpunkte errichtet.

Dass experimentelle Projekte unser Wissen zum römischen Armeealltag bereichern, beweist Josef Löffl (S. 177–185) im letzten Beitrag dieses Buches. Berichtet wird über ein spektakuläres Unternehmen, einem Marsch von Studenten der Geschichtswissenschaft und der Klassischen Philologie der Universität Regensburg in der Ausrüstung von römischen Legionären von Bad Deutsch-Altenburg in Niederösterreich an der Donau entlang nach Regensburg. Die wissenschaftliche Aussagekraft dieses Experiments liegt in den konkreten Erfahrungen, die mit dem Gebrauch der militärischen Ausrüstung gemacht worden sind. So etwa kann Löffl zeigen, dass die lorica segmentata zwar die Beweglichkeit ihres Trägers beeinträchtigt, sich insgesamt jedoch als materialschonend im Gegensatz zum gewöhnlichen Kettenhemd, der lorica hamata, erwiesen hat.

Die Lektüre hinterlässt insgesamt den Eindruck eines gehaltvollen Buches, das ein breites Spektrum an Fragestellungen aufwirft und in einigen Fällen der Beschäftigung mit der Geschichte des Alpen-Donau-Raumes in römischer Zeit neue Denkanstöße vermitteln kann. Insgesamt handelt es sich also um eine vortreffliche Aufsatzsammlung, die, anders als der Titel es erwarten lässt, auch zu einer umfassenden, über den oberen Donauraum hinausgehenden Diskussion anregt.

Anmerkungen:
1 Florian Himmler / Heinrich Konen / Josef Löffl, Exploratio Danubiae. Ein rekonstruiertes spätantikes Flusskriegsschiff auf den Spuren Kaiser Julian Apostatas, Berlin 2009.
2 Peter Herz / Peter Schmid / Oliver Stoll (Hrsg.), Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Von der Keltenzeit bis zu den Bajuwaren, Berlin 2010.

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